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Nach der Zerstörung: Biotop - Lebensraum Steinbruch

22:33
 
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Wunden in der Landschaft. Das ist oft der erste Eindruck eines aufgelassenen Steinbruchs. Doch manchernorts verwandeln Naturschützer die Mondlandschaften zu einem Refugium für seltene Tier- und Pflanzenarten. Aber die paradiesischen Orte sind auch nicht ganz unumstritten. Von Katharina Hübel

Credits
Autorin dieser Folge: Katharina Hübel
Regie: Frank Halbach
Es sprach: Hemma Michel
Redaktion: Bernhard Kastner

Im Interview:
Pascal Bunk und Annika König, Biodiversitätsmanager:innen von Knauf;
Tom Konopka, Regionalreferent für Mittelfranken BUND Naturschutz in Bayern e.V.;
Dr. Andreas von Lindeiner, Artenschutzreferent und Landesfachbeauftragter des Landesbunds für Vogel- und Naturschutz

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Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

01 Reportageszene

Reporterin: Wir stehen hier in so einer leichten Kuhle mitten im Gras…

Mann (empört): Das ist kein Gras!

Reporterin: Das ist kein Gras? Was isses denn?

Mann: Ein bisschen Gras ist dabei, aber wenn man so genau hinguckt, sieht man auch viele Kräuter. Also, das ist hier eine extrem artenreiche Wiese …

MUSIK „Clock Winder“; ZEIT: 00:57

Sprecherin

+ Atmo 01 im Hintergrund

Am Rande des südlichen Steigerwaldes. Im Landkreis Kitzingen, bei Iphofen, liegt Hellmitzheim. Ein kleines fränkisches Dorf. Pascal Bunk ist Ökologe und unterwegs, um den Zustand einer Wiese zu untersuchen.

02 Reportageszene

Wiesenlabkraut haben wir hier … sind fast schon kleine Büschel, die wachsen … - Und das, wo Sie gerade die Bestimmung machen? Das hat so ein bisschen größere, daumenlange Blätter - mal schauen …. Der Große Wiesenknopf wird das mal. - Es ist der, der dann so lila blüht, wie so ein knopfförmiger Blütenkopf ….

MUSIK ENDE

Sprecherin

+ Atmo 02 im Hintergrund (zu hören sind Protas und Reporterin, bitte ganz ganz niedrig ziehen, damit man den Eindruck hat: da ist jemand gemeinsam unterwegs, aber man hört nicht, was gesagt wird)

Annika König (Aussprache bitte hinten mit hartem k) ist eine Kollegin von Pascal Bunk und mit dabei auf der Suche nach seltenen Pflanzen und Tieren.

03 Reportageszene

Pascal, hast Du was gefunden? – Ja, das müsste die veronica spicata sein, der Ährige Ehrenpreis …

Sprecherin

+ Atmo 03 im Hintergrund

Pascal Bunk macht ein Foto von einer Staude und lädt es in seine Pflanzenbestimmungs-App hoch. Volltreffer: Veronica spicata. Kategorie: gefährdet. Eine Rote-Liste-Art. Lila-bläulich ragen ihre länglichen Blüten im Frühsommer zwischen den schmalen Blättern hervor. Ein Festmahl für Schmetterlinge.

OT 04 Pascal Bunk

Verschiedenste Bläulinge, Dickkopffalter, den Schwalbenschwanz habe ich hier auch schon gesehen. Bienen, Wildbienen jede Menge …. Also das ist halt ein Insektenparadies, so ne Wiese. (…)

OT 05 Pascal Bunk, leiser, etwas weiter entfernt, nähert sich an:

Auch sehr unscheinbar, das ist jetzt ein Hirschhaarstrang ….

Reporterin: Was ist das Besondere an dem?

Das es den hier eigentlich gar nicht mehr gibt in der Landschaft, nur noch in Naturschutzgebieten ist der zu finden, und wir haben ihn jetzt hier wieder auf dieser Renaturierungsfläche ansiedeln können.

Atmo 04 kurz freistehend, Schritte, die gehen, Vögel, die singen

MUSIK privat Take 017 Bio Diversity; Album: Green Planet; Label: 2008 UPPM RECORD; Interpret: James Kaleth; Komponist: James Kaleth; ZEIT: 00:21

Sprecherin

+ Atmo 04 im Hintergrund

Die Wiese war nicht immer so artenreich – über hundert verschiedene Pflanzen wachsen dort mittlerweile. Vor zwanzig Jahren war sie das Gegenteil. Pascal Bunk und Annika König sind nämlich keine üblichen Naturschützer: Sie sind Angestellte in der Rohstoffindustrie. Unterwegs im Auftrag einer Gipsfirma.

MUSIK ENDE

Atmo 05 Ziegen

Sprecherin

+ Atmo 07 im Hintergrund

Nicht weit entfernt umgibt ein hoher Metallzaun ein Areal. Die Grasfläche, auf der die Ziegen und zwei schottische Hochlandrinder weiden, endet bald und geht über in offene Erde. Klumpen bleiben an den Schuhen hängen.

08.2. Reportage Sequenz

Die Klüfte haben sich natürlich gebildet. Das Wasser fließt, schlängelt sich so durch, wir stehen hier auf so Erdstufen, würde ich es mal nennen.

Sprecherin

+ Atmo 07

Und dann: geht es senkrecht in die Tiefe. Eine Steilwand aus Erde und Steinen tut sich auf. Unten ein riesiges Loch, in dem sich Wasser sammelt. Ein bisschen Schilf ist in der Ferne zu sehen. Dahinter: Rapsfelder.

OT 09 Pascal Bunk

Wir sind jetzt im Steinbruch Hellmitzheim, der ist frisch stillgelegt, also vor drei Jahren wurde hier die letzte Tonne rausgeholt.

Sprecherin

+ Atmo 07

Ein Steinbruch der Firma Knauf, die sich auf den Abbau von Gips spezialisiert hat. Die Firma, bei der Pascal Bunk und Annika König angestellt sind.

OT 10 Pascal Bunk

Und der Teil, in dem wir jetzt stehen, der wird renaturiert. Also, der wird komplett sozusagen für den Naturschutz hergerichtet und soll ein so genanntes Ökokonto werden. Also hier sammeln wir sozusagen Naturschutzpunkte. Wir werten sozusagen die Landschaft auf.

Sprecherin

+ Atmo 07

Drei Hektar Land, die das Unternehmen einem Landwirt abkaufen konnte, bevor hier Steinbruch war. Der Steinbruch selbst war viel größer: zehn Hektar. Nicht alle Bauern wollten ihr Land verkaufen.

Manche verpachten nur für die Dauer des Abbaus. Am Horizont sieht man noch ein paar Steinhaufen.

OT 11 Pascal Bunk

Was hier abgebaut wird ist Naturgips, also wirklich Stein. Deswegen sieht man auch so diesen Höhenunterschied. Deswegen ist es wie ein Hügel da hinten, das ist das Massendefizit.

Sprecherin

Die Landschaft hat jetzt eine Delle, wo der Gips aus dem Boden herausgeholt worden ist. Gipsabbau gibt es in dieser Region schon seit dem Mittelalter. „Wein, Gips und Holz sind Iphofens Stolz“ steht auf der Homepage der Stadt, in der Knauf seinen Hauptsitz hat. Als das „weiße Gold Iphofens“ wird der Naturgips auch bezeichnet. Das Unternehmen ist mit diesem Rohstoff zum weltweiten Player geworden.

OT 12 Pascal Bunk

In der Regel sind wir nicht Eigentümer von diesen Flächen, die wir abbauen, sondern wir haben Abbauverträge mit den Eigentümern, weil Gips ein so genannter grundeigener Bodenschatz ist, das heißt, er gehört den Grundeigentümern. Das ist anders als zum Beispiel Kohle oder Metall. Die gehören dem Staat.

Sprecherin

Nach dem Abbau müssen Rohstoff-Firmen meistens wieder Ackerland herstellen, wenn die Bauer ihr Land wieder zurückwollen. In neunzig Prozent der Fälle ist das so, schätzt Pascal Bunk. Dafür trägt man den Oberboden extra vor dem Gipsabbau ab und lagert ihn ein. Dann kommt der Boden wieder aufs Land. ‚Rekultivieren‘ heißt das.

OT 13 Pascal Bunk

Das ist schon ziemlich tricky. Man hat ja das Bodengefüge zerstört, das auch durch Regenwürmer und so entstanden ist. Das dauert eine Weile, bis sich das wieder regeneriert hat. Man sagt: Zehn Jahre kann das dauern, bis die Ertragsfähigkeit der Böden wieder so ist wie vorher.

Sprecherin

Dann ist die Fläche zwar wieder grün, aber oft wachsen darauf eben nur bestimmte Nutzpflanzen. Auch die Tierarten, die dort vorkommen, sind überschaubar. Das, was Pascal Bunk als Ökologe erreichen möchte, ist ein anderer Zustand. Der geht aber nur, wenn die Bauern das Land verkaufen:

OT 14 Pascal Bunk

Das ist eine Renaturierung, weil wir halt weggehen von der vorherigen landwirtschaftlichen Nutzung … Und jetzt sehen wir einen kleinen See mit einer Insel und hier hinter uns werden wir Grünland entwickeln und Hecken pflanzen, das ist sozusagen Renaturierung, weil der Zustand der Natur näher ist als er vorher war.

OT 14.2.

Es ist immer der Fall, dass, wenn man in Deutschland was baut oder Rohstoffe gewinnt, muss man kompensieren, das ist im Bundesnaturschutzgesetz so geregelt.

MUSIK

OT 16 Pascal Bunk

Die Idee ist schon, dass man das als Rohbodenstandort erhält. Es gibt sehr viele Rohbodenpioniere oder Rohboden besiedelnde Arten, gerade diese Wildbienen als Beispiel. Die brauchen sowas, finden das aber in unserer Kulturlandschaft gar nicht mehr.

Sprecherin

+ Atmo07

Aus diesem Grund wird auch die Steilwand, die noch an den Gipsabbau erinnert, nicht verändert oder begrünt.

Sprecherin:

+ Atmo08

Störungsökologie ist der Fachbegriff.

Fortsetzung 16.2. Reportage Sequenz

Dynamische Lebensräume sind viel artenreicher als solche statischen Lebensräume. (…) Wenn jetzt so Spalten und Fugen entstehen, da können dann zum Beispiel Fledermäuse reingehen, die gerne auch in solchen Felswänden mal sitzen. Oder, wenn es ein größerer Abriss ist, könnte man sich auch vorstellen, dass da mal ein Uhu brütet.

OT 17 Pascal Bunk

Wir nehmen den Steinbruch selbst als Biotop.

Sprecherin

+ Atmo 07

Ein bisschen nachhelfen müssen die Ökologen allerdings schon, vor allem zu Beginn. Sie machen eine so genannte Geländemodellierung. Die Idee dahinter ist, möglichst viele verschiedene Strukturen in der Landschaft anzulegen. Das machen die Bagger vom Steinbruch.

OT 18 Pascal Bunk

Wir sagen, wir hätten gerne an der Stelle eine kleine Insel in dem See. Wir haben hier einen Flachuferbereich, da hab ich gesagt, den hätte ich gerne. Und dann machen sie das schon mit ihren Maschinen, dass das alles so passt. Ich brauche das Saatgut, ich brauche die Bäume, die Sträucher, ich brauche hier einen Steinhaufen. Ich brauche Totholz.

Sprecherin

+ Atmo 07

Verschiedene Strukturen in der Landschaft bedeuten: verschiedene Lebensräume für Spezialisten in der Tier- und Pflanzenwelt.

OT 19 Pascal Bunk

Da könnte sein, dass jetzt schon ein paar Rallen brüten, da unten sind verschiedene Amphibien, die Ringelnatter, die jagt in dem Uferbereich. Zauneidechsen hat man auch schon gesehen …

MUSIK „Clock Winder“; ZEIT: 00:40

und Atmo 09 als Übergang

Sprecherin

Hellmitzheim ist nicht der einzige ehemalige Steinbruch, den Pascal Bunk und Annika König betreuen.

Sprecherin

Rund 900 Steinbrüche und Kiesgruben sind derzeit in Bayern insgesamt in Betrieb, 860 Hektar Land pro Jahr werden dadurch von verschiedenen Firmen abgebaut. Das sind etwas über 0,01 Prozent der Landesfläche laut Angaben des Bayerischen Industrieverbands Baustoffe, Steine und Erden.

21 Reportageszene

Reporterin: Für mich sieht das aus wie eine Weide, da ist auch ein Weidezaun … Wo war denn der Steinbruch?

PB: Wir stehen direkt vor ihm. Wir gucken jetzt hier auf diese Infotafel, wir haben einen Rundwanderweg gemacht …

Das ist ein Vorzeigeprojekt, weil wir das gemeinsam mit dem Landesbund für Vogelschutz gemacht haben.

Sprecherin +Atmo 09

Willkommen im Steinbruch Markt Nordheim!

Das Logo des LBV ist auf der Infotafel der Firma Knauf gut zu sehen: ein weißer Eisvogel auf blauem Grund. Weiter den Wander-Weg entlang jedoch …

OT 22 Reporterin

Da sehen wir jetzt das Naturschutzgebiet: das grüne Dreieck mit dem Vogel drauf …

Sprecherin

+ Atmo 09

… hat noch ein Naturschutzverband seine Schilder aufgestellt. Nur der schmale Wanderweg trennt die beiden Grundstücke voneinander.

Sprecherin

Seit den 1960ern gehört das Nachbargrundstück schon dem BUND. Als Anfang der 2000er Jahre die Firma Knauf direkt angrenzend Gips abbaute, wurde das für das Unternehmen …

OT 24 Pascal Bunk

… einer der konfliktreichsten Abbauten, die wir jemals hatten. Da gab es richtig Demonstrationen und gerichtliche Auseinandersetzung.

OT 24.2.

Was jetzt das Besondere an der Fläche ist und auch das extreme Konfliktpotential hervorgerufen hat, ist das, was man hier oben sieht. Das sind die so genannten Sieben Buckel. Das ist ein Naturschutzgebiet, da hat sich eine bestimmte Vegetationsform entwickelt, die so genannte Gipssteppe, die wächst direkt auf Gips. Das ist sozusagen ein Relikt. Das gibt es nur noch an dieser Stelle und ein bisschen weiter, südlich in Kühlsheim gibt es das noch und in Sulzheim gibt es noch Gipssteppe. Ansonsten war es das, das ist in Bayern das letzte Stück Gipssteppe, was wir noch haben.

Sprecherin

Ein Relikt aus der Eiszeit. Eine einzigartige Tundravegetation. Pflanzen, die jede für sich genommen, auch wo anders wachsen könnten, aber in der Kombination miteinander nur auf Gips vorkommen. Beispielsweise der rauhaarige Alant, verschiedene Haarstrang-Arten, die Wildform der Katzenminze. Und:

OT 25 Pascal Bunk

Hier ist das Frühlingsadonisröschen, ein Highlight, wo dann wirklich die Freaks ankommen und sich das angucken. (…) Es ist eigentlich nur eine relativ unscheinbare Pflanze für den Laien. Der würde jetzt nicht sofort erkennen, dass das was Tolles ist, hat eine schöne Blüte, aber ansonsten ist es halt etwas tolles botanisch. Diese Steppenvegetation ist eigentlich ein Sammelsurium der seltensten und einzigartigsten Arten, die man sich vorstellen kann, europäisch streng geschützt. Es ist wirklich was Tolles, was Besonderes.

Sprecherin

Die Sieben Buckel und die Gipssteppe ließ die Rohstoff-Firma unangetastet. Aber der Bund Naturschutz befürchtete eine Grundwasserabsenkung, die sich auch auf die Sieben Buckel auswirkt – dadurch, dass Knauf direkt nebenan Gips aus dem Boden holte.

OT 26.3. Pascal Bunk

Das war auch Teil der Genehmigungsauflagen, dass wir hier ein dauerhaftes Grundwassermonitoring machen. Also wir gucken hier genau, in welcher Tiefe ist das Grundwasser, kommen wir mit unserem Gipsabbau irgendwie in die Gegend, dass wir Einfluss auf das Grundwasser haben. Aber ich kann gleich vorweg sagen: haben wir nicht.

Sprecherin

Der Bund Naturschutz hatte laut einer Pressemitteilung aus dem Jahr 2008 selbst vorgehabt, das ehemalige Ackerland nebenan zu erwerben, auf dem Knauf dann Gips abbaute – und freizugeben für die Pflanzen der Gipssteppe. Tom Konopka war damals schon der zuständige Regionalreferent des BUND:

OT 27 Tom Konopka

Im Steinbruch ist der Gips jetzt abgebaut, er ist weg, man ist nahe am Grundwasser, damit ist natürlich auch das Potential weg, diesen Arten überhaupt noch zu helfen.

OT 26 Pascal Bunk

Wir haben Bereiche, wo wir den Gips abgebaut haben, wir haben Bereiche, wo wir hinterher aber wieder Gips aufgetragen haben, also Scherbenkiesstruktur und haben dann Bereiche mit Heusaat angesät.

OT 26.2.

Man muss ja dazu sagen, vorher war das Acker. Also jetzt hat man zumindest die Möglichkeit, die Chance, dass sich da was ansiedelt.

Sprecherin

Tom Konopka widerspricht.

OT 27.2. Tom Konopka

Unsere Prognosen sind eingetreten, dass es im Steinbruch keine Gipssteppenvegetation geben wird.

Sprecherin

Eine Zusammenarbeit mit rohstoffabbauenden Betrieben lehnt der BUND bis heute ab.

OT 28 Tom Konopka

Wir unterscheiden uns in wenigen Punkten als Bund Naturschutz in Bayern vom Landesbund für Vogelschutz. Das ist allerdings einer, wo wir uns ganz stark unterscheiden. Für uns sind die Eingriffe, die hier in Natur und Landschaft stattfinden, Eingriffe in Primärlebensräume. Und das, was daraus entsteht, sind Sekundärlebensräume, die oftmals nur ein schwacher Abglanz dessen sind, was entweder vorher da war oder was als Potenzial noch vorhanden war.

Sprecherin

Nachhaltiger wäre es für Tom Konopka, über Recycling von Rohstoffen nachzudenken, anstatt immer neue aus dem Boden zu holen. Und sich darüber Gedanken zu machen, wie man seltenen Tieren und Pflanzen allgemein mehr Freiraum zurückgeben kann.

OT 29 Tom Konopka

Normalerweise würden diese Arten an Flüssen vorkommen, die noch frei mäandrieren können (…). Das ist klar: Solange die Flüsse alle versteint sind und festgelegt sind in ihrem Lauf, kommen keine solchen Strukturen mehr vor. Zum Zweiten haben wir in einer konventionellen Landwirtschaft, die alles mit Pestiziden behandelt und mit Kunstdünger zumüllt, auch keinen Platz für sehr viele Arten, die weniger nährstoffreiche Böden brauchen.

Sprecherin

Dass die Rohstoffbetriebe die gesetzliche Auflage haben, wieder ein Stückchen Natur herzustellen, hält Tom Konopka für wenig nachhaltig und das Mindeste.

OT 30 Tom Konopka

Es ist eine kleine Auflage für einen gigantischen Eingriff, den sie gemacht haben.

OT 30.2. Tom Konopka

Die Sekundärstandorte nach dem Abbau sind oftmals nicht stabil. Das heißt, hier muss alle paar Jahre eingegriffen werden, um für die Pionierarten stabilen Verhältnisse zu sorgen. Die Firmen, die die Auflage haben, nach ihrem Abbau eine naturschutzgemäße Fläche zu hinterlassen, ziehen sich dann zurück und ziehen sich aus der Verantwortung. Dann muss der Steuerzahler ran und alle paar Jahre dort Maßnahmen durchführen. Oder die Umweltverbände.

OT 30.3. Tom Konopka

Es ist vor allem Greenwashing für die Bauindustrie, die sich keine Gedanken macht, wie sie eigentlich den Raubbau beenden könnte. Denn davon leben sie.

Sprecherin

Andreas von Lindeiner vom Landesbund für Vogelschutz sieht das etwas anders.

OT 31 Andreas von Lindeiner

Ich habe überhaupt kein Problem damit, mit der Industrie zu reden. Die Industrie hat sich zu Anfang unserer Kooperation auch selber als der Drecksack gesehen, der da alles nur kaputtmacht und wurde auch so tituliert. Wir haben mittlerweile einen ganz anderen Umgang. Es ist ja nicht nur, dass wir an einem Standort Partner gewonnen haben, mit dem wir zusammen Gelbbauchunken schützen, sondern wir gewinnen gemeinsam Verständnis für die Belange des anderen.

Sprecherin

Der LBV berät Unternehmen, wie sie während des Abbaus die Natur möglichst schonen können und auch, wie sie danach am besten renaturieren. Rund 280 Pflanzen- und Tierarten, darunter einige Rote-Liste-Arten, leben in ehemaligen bayerischen Steinbrüchen, informiert der Industrieverband Baustoffe, Steine und Erden. In vielen ehemaligen Steinbrüchen sind auch Gewässer angelegt. Gewässer, die in der Natur eben immer seltener vorkommen.

OT 32 Andreas von Lindeiner

Sodass wir einfach feststellen müssen: Arten wie die Kreuzkröte, die Wechselkröte, die Gelbbauchunke sind zu einem so hohen Bestandteil ihrer Gesamtpopulation auf Rohstoffgewinnungsstätten angewiesen, dass hier tatsächlich wohl keine Alternative besteht, ihr Fortkommen auch zu sichern.

MUSIK

Atmo 10 Aussteigen aus dem Auto

35 Reportageszene

Wollen wir mal ein bisschen weiter, ein bisschen tiefer, da brauchen wir ein bisschen Trittsicherheit …

Das ist auch bewusst angelegt hier so ein schattiges Geröllfeld, mit Sicherheit sind da Fledermäuse drin, da sind so Spalten und kleine Ritzen als Höhlen … Die mögen es so ein bisschen geschützt, schattig, feucht. Als Ruhequartier ist das auf jeden Fall gut geeignet.

36 Reportageszene

Hier ist jetzt wieder so ein Flachuferbereich, der sich auch ständig verändert. Wir haben ja ne natürlich Dynamik drin. Dass es einfach, je nach Niederschlägen, ein bisschen überfluteter ist und mal wieder weniger und dadurch auch ein spezieller Lebensraum entsteht. Hier wird jetzt zum Beispiel Tausendgüldenkraut wachsen …. (…)

Sprecherin

+ Atmo 16

Das Geröllfeld und der Tümpel drohen bereits von Wald zugewuchert zu werden. Hier müsste jetzt eigentlich der Mensch bald nachhelfen und Bäume entfernen, um das Refugium für Fledermäuse und Amphibien zu sichern. Wenn nicht wenn nicht bereits ein Biber Einzug gehalten hätte. Er könnte es schaffen, den Sumpfbereich von allzu vielen Bäumen freizuhalten. Ein natürlicher Helfer für die Kommune, die sich mittlerweile um die Fläche kümmern muss: Der Rohstoffbetrieb ist aus der Verantwortung und Pflege raus. Pascal Bunk verschafft sich trotzdem manchmal einen Eindruck davon, wie es mit dem Gebiet weitergeht.

MUSIK „Clock Winder“; ZEIT: 00:59

OT 40 Pascal Bunk

Wir haben hier durch diesen Wanderweg natürlich schon gewissen Druck durch Menschen. Ich hab das auch schon oft beobachtet, dass hier Leute baden oder grillen, das ist jetzt natürlich nicht so dolle. Das wird ja auch eine touristische Marke dadurch, dass man halt den Wanderweg da hingelegt hat, dass man das als Naturschauplatz Steigerwald ausgezeichnet hat. Man findet es im Internet. Da hinten ist auch ein Geocash, das find ich auch nicht so prickelnd …

(…) Da war ja ein Schild, dass bestimmte Sachen nicht erlaubt sind, aber wer will es kontrollieren? Dann müsste rund um die Uhr jemand stehen und aufpassen ….

Reporterin: Hier habe ich jetzt eine Flasche gefunden, hat jemand liegen lassen …

(entfernt:) Das Ding gehört hier auch nicht hin….


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Wunden in der Landschaft. Das ist oft der erste Eindruck eines aufgelassenen Steinbruchs. Doch manchernorts verwandeln Naturschützer die Mondlandschaften zu einem Refugium für seltene Tier- und Pflanzenarten. Aber die paradiesischen Orte sind auch nicht ganz unumstritten. Von Katharina Hübel

Credits
Autorin dieser Folge: Katharina Hübel
Regie: Frank Halbach
Es sprach: Hemma Michel
Redaktion: Bernhard Kastner

Im Interview:
Pascal Bunk und Annika König, Biodiversitätsmanager:innen von Knauf;
Tom Konopka, Regionalreferent für Mittelfranken BUND Naturschutz in Bayern e.V.;
Dr. Andreas von Lindeiner, Artenschutzreferent und Landesfachbeauftragter des Landesbunds für Vogel- und Naturschutz

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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

01 Reportageszene

Reporterin: Wir stehen hier in so einer leichten Kuhle mitten im Gras…

Mann (empört): Das ist kein Gras!

Reporterin: Das ist kein Gras? Was isses denn?

Mann: Ein bisschen Gras ist dabei, aber wenn man so genau hinguckt, sieht man auch viele Kräuter. Also, das ist hier eine extrem artenreiche Wiese …

MUSIK „Clock Winder“; ZEIT: 00:57

Sprecherin

+ Atmo 01 im Hintergrund

Am Rande des südlichen Steigerwaldes. Im Landkreis Kitzingen, bei Iphofen, liegt Hellmitzheim. Ein kleines fränkisches Dorf. Pascal Bunk ist Ökologe und unterwegs, um den Zustand einer Wiese zu untersuchen.

02 Reportageszene

Wiesenlabkraut haben wir hier … sind fast schon kleine Büschel, die wachsen … - Und das, wo Sie gerade die Bestimmung machen? Das hat so ein bisschen größere, daumenlange Blätter - mal schauen …. Der Große Wiesenknopf wird das mal. - Es ist der, der dann so lila blüht, wie so ein knopfförmiger Blütenkopf ….

MUSIK ENDE

Sprecherin

+ Atmo 02 im Hintergrund (zu hören sind Protas und Reporterin, bitte ganz ganz niedrig ziehen, damit man den Eindruck hat: da ist jemand gemeinsam unterwegs, aber man hört nicht, was gesagt wird)

Annika König (Aussprache bitte hinten mit hartem k) ist eine Kollegin von Pascal Bunk und mit dabei auf der Suche nach seltenen Pflanzen und Tieren.

03 Reportageszene

Pascal, hast Du was gefunden? – Ja, das müsste die veronica spicata sein, der Ährige Ehrenpreis …

Sprecherin

+ Atmo 03 im Hintergrund

Pascal Bunk macht ein Foto von einer Staude und lädt es in seine Pflanzenbestimmungs-App hoch. Volltreffer: Veronica spicata. Kategorie: gefährdet. Eine Rote-Liste-Art. Lila-bläulich ragen ihre länglichen Blüten im Frühsommer zwischen den schmalen Blättern hervor. Ein Festmahl für Schmetterlinge.

OT 04 Pascal Bunk

Verschiedenste Bläulinge, Dickkopffalter, den Schwalbenschwanz habe ich hier auch schon gesehen. Bienen, Wildbienen jede Menge …. Also das ist halt ein Insektenparadies, so ne Wiese. (…)

OT 05 Pascal Bunk, leiser, etwas weiter entfernt, nähert sich an:

Auch sehr unscheinbar, das ist jetzt ein Hirschhaarstrang ….

Reporterin: Was ist das Besondere an dem?

Das es den hier eigentlich gar nicht mehr gibt in der Landschaft, nur noch in Naturschutzgebieten ist der zu finden, und wir haben ihn jetzt hier wieder auf dieser Renaturierungsfläche ansiedeln können.

Atmo 04 kurz freistehend, Schritte, die gehen, Vögel, die singen

MUSIK privat Take 017 Bio Diversity; Album: Green Planet; Label: 2008 UPPM RECORD; Interpret: James Kaleth; Komponist: James Kaleth; ZEIT: 00:21

Sprecherin

+ Atmo 04 im Hintergrund

Die Wiese war nicht immer so artenreich – über hundert verschiedene Pflanzen wachsen dort mittlerweile. Vor zwanzig Jahren war sie das Gegenteil. Pascal Bunk und Annika König sind nämlich keine üblichen Naturschützer: Sie sind Angestellte in der Rohstoffindustrie. Unterwegs im Auftrag einer Gipsfirma.

MUSIK ENDE

Atmo 05 Ziegen

Sprecherin

+ Atmo 07 im Hintergrund

Nicht weit entfernt umgibt ein hoher Metallzaun ein Areal. Die Grasfläche, auf der die Ziegen und zwei schottische Hochlandrinder weiden, endet bald und geht über in offene Erde. Klumpen bleiben an den Schuhen hängen.

08.2. Reportage Sequenz

Die Klüfte haben sich natürlich gebildet. Das Wasser fließt, schlängelt sich so durch, wir stehen hier auf so Erdstufen, würde ich es mal nennen.

Sprecherin

+ Atmo 07

Und dann: geht es senkrecht in die Tiefe. Eine Steilwand aus Erde und Steinen tut sich auf. Unten ein riesiges Loch, in dem sich Wasser sammelt. Ein bisschen Schilf ist in der Ferne zu sehen. Dahinter: Rapsfelder.

OT 09 Pascal Bunk

Wir sind jetzt im Steinbruch Hellmitzheim, der ist frisch stillgelegt, also vor drei Jahren wurde hier die letzte Tonne rausgeholt.

Sprecherin

+ Atmo 07

Ein Steinbruch der Firma Knauf, die sich auf den Abbau von Gips spezialisiert hat. Die Firma, bei der Pascal Bunk und Annika König angestellt sind.

OT 10 Pascal Bunk

Und der Teil, in dem wir jetzt stehen, der wird renaturiert. Also, der wird komplett sozusagen für den Naturschutz hergerichtet und soll ein so genanntes Ökokonto werden. Also hier sammeln wir sozusagen Naturschutzpunkte. Wir werten sozusagen die Landschaft auf.

Sprecherin

+ Atmo 07

Drei Hektar Land, die das Unternehmen einem Landwirt abkaufen konnte, bevor hier Steinbruch war. Der Steinbruch selbst war viel größer: zehn Hektar. Nicht alle Bauern wollten ihr Land verkaufen.

Manche verpachten nur für die Dauer des Abbaus. Am Horizont sieht man noch ein paar Steinhaufen.

OT 11 Pascal Bunk

Was hier abgebaut wird ist Naturgips, also wirklich Stein. Deswegen sieht man auch so diesen Höhenunterschied. Deswegen ist es wie ein Hügel da hinten, das ist das Massendefizit.

Sprecherin

Die Landschaft hat jetzt eine Delle, wo der Gips aus dem Boden herausgeholt worden ist. Gipsabbau gibt es in dieser Region schon seit dem Mittelalter. „Wein, Gips und Holz sind Iphofens Stolz“ steht auf der Homepage der Stadt, in der Knauf seinen Hauptsitz hat. Als das „weiße Gold Iphofens“ wird der Naturgips auch bezeichnet. Das Unternehmen ist mit diesem Rohstoff zum weltweiten Player geworden.

OT 12 Pascal Bunk

In der Regel sind wir nicht Eigentümer von diesen Flächen, die wir abbauen, sondern wir haben Abbauverträge mit den Eigentümern, weil Gips ein so genannter grundeigener Bodenschatz ist, das heißt, er gehört den Grundeigentümern. Das ist anders als zum Beispiel Kohle oder Metall. Die gehören dem Staat.

Sprecherin

Nach dem Abbau müssen Rohstoff-Firmen meistens wieder Ackerland herstellen, wenn die Bauer ihr Land wieder zurückwollen. In neunzig Prozent der Fälle ist das so, schätzt Pascal Bunk. Dafür trägt man den Oberboden extra vor dem Gipsabbau ab und lagert ihn ein. Dann kommt der Boden wieder aufs Land. ‚Rekultivieren‘ heißt das.

OT 13 Pascal Bunk

Das ist schon ziemlich tricky. Man hat ja das Bodengefüge zerstört, das auch durch Regenwürmer und so entstanden ist. Das dauert eine Weile, bis sich das wieder regeneriert hat. Man sagt: Zehn Jahre kann das dauern, bis die Ertragsfähigkeit der Böden wieder so ist wie vorher.

Sprecherin

Dann ist die Fläche zwar wieder grün, aber oft wachsen darauf eben nur bestimmte Nutzpflanzen. Auch die Tierarten, die dort vorkommen, sind überschaubar. Das, was Pascal Bunk als Ökologe erreichen möchte, ist ein anderer Zustand. Der geht aber nur, wenn die Bauern das Land verkaufen:

OT 14 Pascal Bunk

Das ist eine Renaturierung, weil wir halt weggehen von der vorherigen landwirtschaftlichen Nutzung … Und jetzt sehen wir einen kleinen See mit einer Insel und hier hinter uns werden wir Grünland entwickeln und Hecken pflanzen, das ist sozusagen Renaturierung, weil der Zustand der Natur näher ist als er vorher war.

OT 14.2.

Es ist immer der Fall, dass, wenn man in Deutschland was baut oder Rohstoffe gewinnt, muss man kompensieren, das ist im Bundesnaturschutzgesetz so geregelt.

MUSIK

OT 16 Pascal Bunk

Die Idee ist schon, dass man das als Rohbodenstandort erhält. Es gibt sehr viele Rohbodenpioniere oder Rohboden besiedelnde Arten, gerade diese Wildbienen als Beispiel. Die brauchen sowas, finden das aber in unserer Kulturlandschaft gar nicht mehr.

Sprecherin

+ Atmo07

Aus diesem Grund wird auch die Steilwand, die noch an den Gipsabbau erinnert, nicht verändert oder begrünt.

Sprecherin:

+ Atmo08

Störungsökologie ist der Fachbegriff.

Fortsetzung 16.2. Reportage Sequenz

Dynamische Lebensräume sind viel artenreicher als solche statischen Lebensräume. (…) Wenn jetzt so Spalten und Fugen entstehen, da können dann zum Beispiel Fledermäuse reingehen, die gerne auch in solchen Felswänden mal sitzen. Oder, wenn es ein größerer Abriss ist, könnte man sich auch vorstellen, dass da mal ein Uhu brütet.

OT 17 Pascal Bunk

Wir nehmen den Steinbruch selbst als Biotop.

Sprecherin

+ Atmo 07

Ein bisschen nachhelfen müssen die Ökologen allerdings schon, vor allem zu Beginn. Sie machen eine so genannte Geländemodellierung. Die Idee dahinter ist, möglichst viele verschiedene Strukturen in der Landschaft anzulegen. Das machen die Bagger vom Steinbruch.

OT 18 Pascal Bunk

Wir sagen, wir hätten gerne an der Stelle eine kleine Insel in dem See. Wir haben hier einen Flachuferbereich, da hab ich gesagt, den hätte ich gerne. Und dann machen sie das schon mit ihren Maschinen, dass das alles so passt. Ich brauche das Saatgut, ich brauche die Bäume, die Sträucher, ich brauche hier einen Steinhaufen. Ich brauche Totholz.

Sprecherin

+ Atmo 07

Verschiedene Strukturen in der Landschaft bedeuten: verschiedene Lebensräume für Spezialisten in der Tier- und Pflanzenwelt.

OT 19 Pascal Bunk

Da könnte sein, dass jetzt schon ein paar Rallen brüten, da unten sind verschiedene Amphibien, die Ringelnatter, die jagt in dem Uferbereich. Zauneidechsen hat man auch schon gesehen …

MUSIK „Clock Winder“; ZEIT: 00:40

und Atmo 09 als Übergang

Sprecherin

Hellmitzheim ist nicht der einzige ehemalige Steinbruch, den Pascal Bunk und Annika König betreuen.

Sprecherin

Rund 900 Steinbrüche und Kiesgruben sind derzeit in Bayern insgesamt in Betrieb, 860 Hektar Land pro Jahr werden dadurch von verschiedenen Firmen abgebaut. Das sind etwas über 0,01 Prozent der Landesfläche laut Angaben des Bayerischen Industrieverbands Baustoffe, Steine und Erden.

21 Reportageszene

Reporterin: Für mich sieht das aus wie eine Weide, da ist auch ein Weidezaun … Wo war denn der Steinbruch?

PB: Wir stehen direkt vor ihm. Wir gucken jetzt hier auf diese Infotafel, wir haben einen Rundwanderweg gemacht …

Das ist ein Vorzeigeprojekt, weil wir das gemeinsam mit dem Landesbund für Vogelschutz gemacht haben.

Sprecherin +Atmo 09

Willkommen im Steinbruch Markt Nordheim!

Das Logo des LBV ist auf der Infotafel der Firma Knauf gut zu sehen: ein weißer Eisvogel auf blauem Grund. Weiter den Wander-Weg entlang jedoch …

OT 22 Reporterin

Da sehen wir jetzt das Naturschutzgebiet: das grüne Dreieck mit dem Vogel drauf …

Sprecherin

+ Atmo 09

… hat noch ein Naturschutzverband seine Schilder aufgestellt. Nur der schmale Wanderweg trennt die beiden Grundstücke voneinander.

Sprecherin

Seit den 1960ern gehört das Nachbargrundstück schon dem BUND. Als Anfang der 2000er Jahre die Firma Knauf direkt angrenzend Gips abbaute, wurde das für das Unternehmen …

OT 24 Pascal Bunk

… einer der konfliktreichsten Abbauten, die wir jemals hatten. Da gab es richtig Demonstrationen und gerichtliche Auseinandersetzung.

OT 24.2.

Was jetzt das Besondere an der Fläche ist und auch das extreme Konfliktpotential hervorgerufen hat, ist das, was man hier oben sieht. Das sind die so genannten Sieben Buckel. Das ist ein Naturschutzgebiet, da hat sich eine bestimmte Vegetationsform entwickelt, die so genannte Gipssteppe, die wächst direkt auf Gips. Das ist sozusagen ein Relikt. Das gibt es nur noch an dieser Stelle und ein bisschen weiter, südlich in Kühlsheim gibt es das noch und in Sulzheim gibt es noch Gipssteppe. Ansonsten war es das, das ist in Bayern das letzte Stück Gipssteppe, was wir noch haben.

Sprecherin

Ein Relikt aus der Eiszeit. Eine einzigartige Tundravegetation. Pflanzen, die jede für sich genommen, auch wo anders wachsen könnten, aber in der Kombination miteinander nur auf Gips vorkommen. Beispielsweise der rauhaarige Alant, verschiedene Haarstrang-Arten, die Wildform der Katzenminze. Und:

OT 25 Pascal Bunk

Hier ist das Frühlingsadonisröschen, ein Highlight, wo dann wirklich die Freaks ankommen und sich das angucken. (…) Es ist eigentlich nur eine relativ unscheinbare Pflanze für den Laien. Der würde jetzt nicht sofort erkennen, dass das was Tolles ist, hat eine schöne Blüte, aber ansonsten ist es halt etwas tolles botanisch. Diese Steppenvegetation ist eigentlich ein Sammelsurium der seltensten und einzigartigsten Arten, die man sich vorstellen kann, europäisch streng geschützt. Es ist wirklich was Tolles, was Besonderes.

Sprecherin

Die Sieben Buckel und die Gipssteppe ließ die Rohstoff-Firma unangetastet. Aber der Bund Naturschutz befürchtete eine Grundwasserabsenkung, die sich auch auf die Sieben Buckel auswirkt – dadurch, dass Knauf direkt nebenan Gips aus dem Boden holte.

OT 26.3. Pascal Bunk

Das war auch Teil der Genehmigungsauflagen, dass wir hier ein dauerhaftes Grundwassermonitoring machen. Also wir gucken hier genau, in welcher Tiefe ist das Grundwasser, kommen wir mit unserem Gipsabbau irgendwie in die Gegend, dass wir Einfluss auf das Grundwasser haben. Aber ich kann gleich vorweg sagen: haben wir nicht.

Sprecherin

Der Bund Naturschutz hatte laut einer Pressemitteilung aus dem Jahr 2008 selbst vorgehabt, das ehemalige Ackerland nebenan zu erwerben, auf dem Knauf dann Gips abbaute – und freizugeben für die Pflanzen der Gipssteppe. Tom Konopka war damals schon der zuständige Regionalreferent des BUND:

OT 27 Tom Konopka

Im Steinbruch ist der Gips jetzt abgebaut, er ist weg, man ist nahe am Grundwasser, damit ist natürlich auch das Potential weg, diesen Arten überhaupt noch zu helfen.

OT 26 Pascal Bunk

Wir haben Bereiche, wo wir den Gips abgebaut haben, wir haben Bereiche, wo wir hinterher aber wieder Gips aufgetragen haben, also Scherbenkiesstruktur und haben dann Bereiche mit Heusaat angesät.

OT 26.2.

Man muss ja dazu sagen, vorher war das Acker. Also jetzt hat man zumindest die Möglichkeit, die Chance, dass sich da was ansiedelt.

Sprecherin

Tom Konopka widerspricht.

OT 27.2. Tom Konopka

Unsere Prognosen sind eingetreten, dass es im Steinbruch keine Gipssteppenvegetation geben wird.

Sprecherin

Eine Zusammenarbeit mit rohstoffabbauenden Betrieben lehnt der BUND bis heute ab.

OT 28 Tom Konopka

Wir unterscheiden uns in wenigen Punkten als Bund Naturschutz in Bayern vom Landesbund für Vogelschutz. Das ist allerdings einer, wo wir uns ganz stark unterscheiden. Für uns sind die Eingriffe, die hier in Natur und Landschaft stattfinden, Eingriffe in Primärlebensräume. Und das, was daraus entsteht, sind Sekundärlebensräume, die oftmals nur ein schwacher Abglanz dessen sind, was entweder vorher da war oder was als Potenzial noch vorhanden war.

Sprecherin

Nachhaltiger wäre es für Tom Konopka, über Recycling von Rohstoffen nachzudenken, anstatt immer neue aus dem Boden zu holen. Und sich darüber Gedanken zu machen, wie man seltenen Tieren und Pflanzen allgemein mehr Freiraum zurückgeben kann.

OT 29 Tom Konopka

Normalerweise würden diese Arten an Flüssen vorkommen, die noch frei mäandrieren können (…). Das ist klar: Solange die Flüsse alle versteint sind und festgelegt sind in ihrem Lauf, kommen keine solchen Strukturen mehr vor. Zum Zweiten haben wir in einer konventionellen Landwirtschaft, die alles mit Pestiziden behandelt und mit Kunstdünger zumüllt, auch keinen Platz für sehr viele Arten, die weniger nährstoffreiche Böden brauchen.

Sprecherin

Dass die Rohstoffbetriebe die gesetzliche Auflage haben, wieder ein Stückchen Natur herzustellen, hält Tom Konopka für wenig nachhaltig und das Mindeste.

OT 30 Tom Konopka

Es ist eine kleine Auflage für einen gigantischen Eingriff, den sie gemacht haben.

OT 30.2. Tom Konopka

Die Sekundärstandorte nach dem Abbau sind oftmals nicht stabil. Das heißt, hier muss alle paar Jahre eingegriffen werden, um für die Pionierarten stabilen Verhältnisse zu sorgen. Die Firmen, die die Auflage haben, nach ihrem Abbau eine naturschutzgemäße Fläche zu hinterlassen, ziehen sich dann zurück und ziehen sich aus der Verantwortung. Dann muss der Steuerzahler ran und alle paar Jahre dort Maßnahmen durchführen. Oder die Umweltverbände.

OT 30.3. Tom Konopka

Es ist vor allem Greenwashing für die Bauindustrie, die sich keine Gedanken macht, wie sie eigentlich den Raubbau beenden könnte. Denn davon leben sie.

Sprecherin

Andreas von Lindeiner vom Landesbund für Vogelschutz sieht das etwas anders.

OT 31 Andreas von Lindeiner

Ich habe überhaupt kein Problem damit, mit der Industrie zu reden. Die Industrie hat sich zu Anfang unserer Kooperation auch selber als der Drecksack gesehen, der da alles nur kaputtmacht und wurde auch so tituliert. Wir haben mittlerweile einen ganz anderen Umgang. Es ist ja nicht nur, dass wir an einem Standort Partner gewonnen haben, mit dem wir zusammen Gelbbauchunken schützen, sondern wir gewinnen gemeinsam Verständnis für die Belange des anderen.

Sprecherin

Der LBV berät Unternehmen, wie sie während des Abbaus die Natur möglichst schonen können und auch, wie sie danach am besten renaturieren. Rund 280 Pflanzen- und Tierarten, darunter einige Rote-Liste-Arten, leben in ehemaligen bayerischen Steinbrüchen, informiert der Industrieverband Baustoffe, Steine und Erden. In vielen ehemaligen Steinbrüchen sind auch Gewässer angelegt. Gewässer, die in der Natur eben immer seltener vorkommen.

OT 32 Andreas von Lindeiner

Sodass wir einfach feststellen müssen: Arten wie die Kreuzkröte, die Wechselkröte, die Gelbbauchunke sind zu einem so hohen Bestandteil ihrer Gesamtpopulation auf Rohstoffgewinnungsstätten angewiesen, dass hier tatsächlich wohl keine Alternative besteht, ihr Fortkommen auch zu sichern.

MUSIK

Atmo 10 Aussteigen aus dem Auto

35 Reportageszene

Wollen wir mal ein bisschen weiter, ein bisschen tiefer, da brauchen wir ein bisschen Trittsicherheit …

Das ist auch bewusst angelegt hier so ein schattiges Geröllfeld, mit Sicherheit sind da Fledermäuse drin, da sind so Spalten und kleine Ritzen als Höhlen … Die mögen es so ein bisschen geschützt, schattig, feucht. Als Ruhequartier ist das auf jeden Fall gut geeignet.

36 Reportageszene

Hier ist jetzt wieder so ein Flachuferbereich, der sich auch ständig verändert. Wir haben ja ne natürlich Dynamik drin. Dass es einfach, je nach Niederschlägen, ein bisschen überfluteter ist und mal wieder weniger und dadurch auch ein spezieller Lebensraum entsteht. Hier wird jetzt zum Beispiel Tausendgüldenkraut wachsen …. (…)

Sprecherin

+ Atmo 16

Das Geröllfeld und der Tümpel drohen bereits von Wald zugewuchert zu werden. Hier müsste jetzt eigentlich der Mensch bald nachhelfen und Bäume entfernen, um das Refugium für Fledermäuse und Amphibien zu sichern. Wenn nicht wenn nicht bereits ein Biber Einzug gehalten hätte. Er könnte es schaffen, den Sumpfbereich von allzu vielen Bäumen freizuhalten. Ein natürlicher Helfer für die Kommune, die sich mittlerweile um die Fläche kümmern muss: Der Rohstoffbetrieb ist aus der Verantwortung und Pflege raus. Pascal Bunk verschafft sich trotzdem manchmal einen Eindruck davon, wie es mit dem Gebiet weitergeht.

MUSIK „Clock Winder“; ZEIT: 00:59

OT 40 Pascal Bunk

Wir haben hier durch diesen Wanderweg natürlich schon gewissen Druck durch Menschen. Ich hab das auch schon oft beobachtet, dass hier Leute baden oder grillen, das ist jetzt natürlich nicht so dolle. Das wird ja auch eine touristische Marke dadurch, dass man halt den Wanderweg da hingelegt hat, dass man das als Naturschauplatz Steigerwald ausgezeichnet hat. Man findet es im Internet. Da hinten ist auch ein Geocash, das find ich auch nicht so prickelnd …

(…) Da war ja ein Schild, dass bestimmte Sachen nicht erlaubt sind, aber wer will es kontrollieren? Dann müsste rund um die Uhr jemand stehen und aufpassen ….

Reporterin: Hier habe ich jetzt eine Flasche gefunden, hat jemand liegen lassen …

(entfernt:) Das Ding gehört hier auch nicht hin….


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