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Ika Sperling – Der große Reset

4:09
 
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Ein Vater, der an eine Weltverschwörung glaubt. Seine Familie, die aufgegeben hat, mit ihm darüber zu sprechen. Oder miteinander. Das klingt nach großer Tragödie. Doch Ika Sperlings Comic-Debüt „Der Große Reset“ verbreitet von Seite 1 an vor allem eines: Leichtigkeit. Mit schwungvollem Strich und vielen Aquarellfarben schickt sie ihr Alter Ego, das wie sie Ika heißt, in die pfälzische Provinz. Wochenende. Heimatbesuch. Mit der großen Schwester daddeln oder abhängen. Nur verrät schon ihr erstes Gespräch: Unbeschwert wird der Besuch nicht.
Ika: U..und? Was macht er? Hat er seinen Job schon gekündigt? Hat er schon einen Flug. Glaubst du, er macht dieses Mal Ernst? Hat er was darüber gesagt, ob er das Haus verkauft? Lernt der schon spanisch? Lässt er sich dann auch scheiden? Und was ist dann mit uns? Was genau ist dann sein Plan? Was passiert dann mit dem Hund? (kurze Pause)
Bella: Ika. Das kannst du ihn gleich alles selbst fragen.

Quelle: Ika Sperling – Der große Reset

Tragik in den Dialogen, Komik in den Bildern

Damit ist die Fallhöhe gesetzt. Für die Familie geht es ums Ganze. Von nun an kippt „Der Große Reset“ zwischen zwei Polen hin und her. In den Dialogen offenbaren sich Verzweiflung und Resignation, die jeder in Ikas Familie mit sich herumschleppt. Die Bilder aber verbreiten weiter bunte Leichtigkeit. Auch, weil sie den Alltag in der Familie und im Dorf zeigen. Dabei fühlt man sich bisweilen an Sketche von Loriot erinnert. Kleinbürgerleben hat ungeheuer komisches Potenzial und Ika Sperling hat ein Auge dafür, wie sich Menschen ungewollt lächerlich machen. Die übergriffige Mutter, die Teilnahme heuchelnde Nachbarin, ihr eigenes ungelenkes Alter Ego – sie schont niemanden. Ihre Figuren zeichnet sie bisweilen, als seien sie überdrehten Cartoons entsprungen. Sie verzerrt die Gesichter oder lässt Schweißtropfen fliegen. Und doch ist die ganze Zeit eine große Zärtlichkeit spürbar, für Schwester, Mutter und sogar für den fremd gewordenen Vater. Ihn entwirft sie als amorphes durchsichtiges Wesen, halb gefüllt mit Flüssigkeit. Tropfen rinnen als Verschwörungsmythen nach und nach aus ihm heraus. Denn er wähnt sich als Opfer böser Mächte und will raus aus Deutschland.
Aber ich muss mich beeilen. Die scheinen ihre Pläne schneller umzusetzen als gedacht. Der Krieg für Europa war erst für 2024 vorhergesagt. Und gerade sieht es so aus, als ob sie das vorgezogen hätten. Wahrscheinlich weil immer mehr Leute wie ich aufwachen und bei dem Mist nicht mehr mitmachen und sich jetzt wehren. Zuerst Corona, dann der Krieg, jetzt die Inflation. Es ist alles so gekommen, wie ich gesagt habe. Wach endlich auf!

Quelle: Ika Sperling – Der große Reset

Verschwörungsglauben entsteht nicht im luftleeren Raum

Redet sich der Vater in seine Wut hinein, verlieren seine Umgebung und Tochter Ika ihre Konturen und Farben, alles fließt ineinander. Auch wenn die Zeichnerin danach zu ihrem lockeren Strich und bunten Bildern zurückkehrt – es wird klar: Der Vater lebt in seiner eigenen Realität. Ika Sperling lässt uns aber nicht im Glauben, seine Radikalisierung sei ein Sonderfall. Sie porträtiert ein Umfeld, in dem andere ganz ähnlich denken.

Gespaltene Gesellschaft – gespaltene Familie

Glücklicherweise erspart „Der Große Reset“ uns Lesenden moralische Verurteilungen. Ika Sperling hält in ihrem Comic einfach fest, wie die politische Spaltung der Gesellschaft sich ins Private fortsetzt. Bei Konflikten lässt sie ihre Ika einfach aus dem Bild spazieren. Oder sie zeichnet immer wieder einen Querschnitt vom Haus der Familie. Unter dessen Dach leben zwar alle, aber jeder in einem anderen Raum. Und so endet ihr Debüt nicht hoffnungslos, aber ernüchtert. Aus Ikas Vater ist zum Schluss alle Flüssigkeit herausgesuppt. Vielleicht, weil die beiden sich endlich offen auseinandergesetzt haben. Und seine Entscheidung getroffen ist. „Reset“ ist ja auch übersetzbar mit „Neustart“. Ein großartiges Comic-Debüt.
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Ika: U..und? Was macht er? Hat er seinen Job schon gekündigt? Hat er schon einen Flug. Glaubst du, er macht dieses Mal Ernst? Hat er was darüber gesagt, ob er das Haus verkauft? Lernt der schon spanisch? Lässt er sich dann auch scheiden? Und was ist dann mit uns? Was genau ist dann sein Plan? Was passiert dann mit dem Hund? (kurze Pause)
Bella: Ika. Das kannst du ihn gleich alles selbst fragen.

Quelle: Ika Sperling – Der große Reset

Tragik in den Dialogen, Komik in den Bildern

Damit ist die Fallhöhe gesetzt. Für die Familie geht es ums Ganze. Von nun an kippt „Der Große Reset“ zwischen zwei Polen hin und her. In den Dialogen offenbaren sich Verzweiflung und Resignation, die jeder in Ikas Familie mit sich herumschleppt. Die Bilder aber verbreiten weiter bunte Leichtigkeit. Auch, weil sie den Alltag in der Familie und im Dorf zeigen. Dabei fühlt man sich bisweilen an Sketche von Loriot erinnert. Kleinbürgerleben hat ungeheuer komisches Potenzial und Ika Sperling hat ein Auge dafür, wie sich Menschen ungewollt lächerlich machen. Die übergriffige Mutter, die Teilnahme heuchelnde Nachbarin, ihr eigenes ungelenkes Alter Ego – sie schont niemanden. Ihre Figuren zeichnet sie bisweilen, als seien sie überdrehten Cartoons entsprungen. Sie verzerrt die Gesichter oder lässt Schweißtropfen fliegen. Und doch ist die ganze Zeit eine große Zärtlichkeit spürbar, für Schwester, Mutter und sogar für den fremd gewordenen Vater. Ihn entwirft sie als amorphes durchsichtiges Wesen, halb gefüllt mit Flüssigkeit. Tropfen rinnen als Verschwörungsmythen nach und nach aus ihm heraus. Denn er wähnt sich als Opfer böser Mächte und will raus aus Deutschland.
Aber ich muss mich beeilen. Die scheinen ihre Pläne schneller umzusetzen als gedacht. Der Krieg für Europa war erst für 2024 vorhergesagt. Und gerade sieht es so aus, als ob sie das vorgezogen hätten. Wahrscheinlich weil immer mehr Leute wie ich aufwachen und bei dem Mist nicht mehr mitmachen und sich jetzt wehren. Zuerst Corona, dann der Krieg, jetzt die Inflation. Es ist alles so gekommen, wie ich gesagt habe. Wach endlich auf!

Quelle: Ika Sperling – Der große Reset

Verschwörungsglauben entsteht nicht im luftleeren Raum

Redet sich der Vater in seine Wut hinein, verlieren seine Umgebung und Tochter Ika ihre Konturen und Farben, alles fließt ineinander. Auch wenn die Zeichnerin danach zu ihrem lockeren Strich und bunten Bildern zurückkehrt – es wird klar: Der Vater lebt in seiner eigenen Realität. Ika Sperling lässt uns aber nicht im Glauben, seine Radikalisierung sei ein Sonderfall. Sie porträtiert ein Umfeld, in dem andere ganz ähnlich denken.

Gespaltene Gesellschaft – gespaltene Familie

Glücklicherweise erspart „Der Große Reset“ uns Lesenden moralische Verurteilungen. Ika Sperling hält in ihrem Comic einfach fest, wie die politische Spaltung der Gesellschaft sich ins Private fortsetzt. Bei Konflikten lässt sie ihre Ika einfach aus dem Bild spazieren. Oder sie zeichnet immer wieder einen Querschnitt vom Haus der Familie. Unter dessen Dach leben zwar alle, aber jeder in einem anderen Raum. Und so endet ihr Debüt nicht hoffnungslos, aber ernüchtert. Aus Ikas Vater ist zum Schluss alle Flüssigkeit herausgesuppt. Vielleicht, weil die beiden sich endlich offen auseinandergesetzt haben. Und seine Entscheidung getroffen ist. „Reset“ ist ja auch übersetzbar mit „Neustart“. Ein großartiges Comic-Debüt.
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