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Anti-Kriegsstück voller Niedertracht: „Der Diplomat“ am Wormser Dom

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Blut, unendlich viel Blut

Schon zu Beginn ist die riesige Freilichtbühne ein einziges Schlachtfeld: Rüstungen und Helme liegen im Matsch, ein altes Klavier versinkt halb im Modder. Dazu Blut, unendlich viel Blut. Es stammt unter anderem von den beiden jungen Söhnen von Hunnenkönig Etzel, sie liegen im Dreck. Niedergemetzelt von Witta, einer Kriegerin des römischen Kaisers. Sie hat auch den Bruder von Dietrich von Bern auf dem Gewissen, der für die Hunnen kämpft. Witta und Dietrich treffen am Kampfplatz aufeinander.

Trotz Verwüstung nicht kriegsmüde

Dietrich von Bern hat genug. Genug vom Blutvergießen, genug vom Töten, genug vom sinnlosen Krieg. So kommt er als Diplomat an den Burgunderhof von König Gunter und dessen Sippe. Auch dort herrscht Verwüstung. Aufgebahrt liegt der tote Held Siegfried im Zentrum der Bühne, er blutet ununterbrochen. Das ist für die Burgunder aber allerhöchstens lästig, sie sind noch nicht kriegsmüde. Auch Giselher, Gunters jüngerer Bruder, nicht.
Ich träume von Sturm und ich träume von Schlachten. Ich träume davon, hinauszuziehen aus der Festung. Und dann schlag ich dem Feind mit einem Hieb und einem Schrei den Kopf von den Achseln.

Quelle: Giselher in „Der Diplomat“

Giselher wird am Ende sein Leben lassen und ist längst nicht der einzige. Dietrich von Bern scheitert krachend als Friedensstifter in dem Stück von Günter Senkel und Feridun Zaimoglu.

Roger Vontobel zeichnet eine hoffnungslose Dystopie

Regisseur Roger Vontobel, der bereits zum dritten Mal in Worms inszeniert, zeichnet eine hoffnungslose Dystopie, in der der Krieg des Krieges wegen geführt wird. Lediglich in Königin Kriemhild könnte Dietrich von Bern eine Verbündete finden. Sie trauert um ihren Mann Siegfried, hadert mit ihrer Sippschaft. Aber klein beigeben will auch sie nicht: „Ich muss lernen, noch mächtiger zu hassen“, ruft sie, „damit der Hass mich nicht vernichtet.“

Glänzende Leistungen im Ensemble

TV-Star Jasna Fritzi Bauer glänzt als abgründige Kriemhild, genauso wie das gesamte Ensemble. Die Figuren auf der Bühne sind allesamt gebrochen. Bei den einen hat der Krieg zum Wahnsinn geführt, bei den anderen zum Größenwahn. Brunhild, eindringlich gespielt von Yohanna Schwertfeger, hat ein handfestes Alkoholproblem, Gernot und Dietrich sehen Gespenster.

Anti-Kriegsstück voller Gewalt und Niedertracht

Eine Liveband unterstreicht die spukhafte Atmosphäre. Die düstere Szenerie von Bühnenbildner Palle Stehen Christensen und morbide Videoprojektionen an der Domfassade lassen keinen Zweifel zu: Das hier wird nicht gut ausgehen. „Der Diplomat“ ist ein Anti-Kriegsstück voller Gewalt und Niedertracht. Den Stoff geplant hat das Autorenduo lange bevor die Kriege unserer Gegenwart sie eingeholt haben. Lösungen bietet die Inszenierung nicht. Aber sie macht die Sinnlosigkeit des Sterbens auf den Schlachtfeldern und die Fallstricke der Diplomatie erschreckend deutlich. Es gab in der Vergangenheit schon spektakulärere Aufführungen bei den Nibelungenfestspielen. In diesem Jahr ist der gnadenlose Blick auf die Willkür der Mächtigen aber besonders zwingend.
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Blut, unendlich viel Blut

Schon zu Beginn ist die riesige Freilichtbühne ein einziges Schlachtfeld: Rüstungen und Helme liegen im Matsch, ein altes Klavier versinkt halb im Modder. Dazu Blut, unendlich viel Blut. Es stammt unter anderem von den beiden jungen Söhnen von Hunnenkönig Etzel, sie liegen im Dreck. Niedergemetzelt von Witta, einer Kriegerin des römischen Kaisers. Sie hat auch den Bruder von Dietrich von Bern auf dem Gewissen, der für die Hunnen kämpft. Witta und Dietrich treffen am Kampfplatz aufeinander.

Trotz Verwüstung nicht kriegsmüde

Dietrich von Bern hat genug. Genug vom Blutvergießen, genug vom Töten, genug vom sinnlosen Krieg. So kommt er als Diplomat an den Burgunderhof von König Gunter und dessen Sippe. Auch dort herrscht Verwüstung. Aufgebahrt liegt der tote Held Siegfried im Zentrum der Bühne, er blutet ununterbrochen. Das ist für die Burgunder aber allerhöchstens lästig, sie sind noch nicht kriegsmüde. Auch Giselher, Gunters jüngerer Bruder, nicht.
Ich träume von Sturm und ich träume von Schlachten. Ich träume davon, hinauszuziehen aus der Festung. Und dann schlag ich dem Feind mit einem Hieb und einem Schrei den Kopf von den Achseln.

Quelle: Giselher in „Der Diplomat“

Giselher wird am Ende sein Leben lassen und ist längst nicht der einzige. Dietrich von Bern scheitert krachend als Friedensstifter in dem Stück von Günter Senkel und Feridun Zaimoglu.

Roger Vontobel zeichnet eine hoffnungslose Dystopie

Regisseur Roger Vontobel, der bereits zum dritten Mal in Worms inszeniert, zeichnet eine hoffnungslose Dystopie, in der der Krieg des Krieges wegen geführt wird. Lediglich in Königin Kriemhild könnte Dietrich von Bern eine Verbündete finden. Sie trauert um ihren Mann Siegfried, hadert mit ihrer Sippschaft. Aber klein beigeben will auch sie nicht: „Ich muss lernen, noch mächtiger zu hassen“, ruft sie, „damit der Hass mich nicht vernichtet.“

Glänzende Leistungen im Ensemble

TV-Star Jasna Fritzi Bauer glänzt als abgründige Kriemhild, genauso wie das gesamte Ensemble. Die Figuren auf der Bühne sind allesamt gebrochen. Bei den einen hat der Krieg zum Wahnsinn geführt, bei den anderen zum Größenwahn. Brunhild, eindringlich gespielt von Yohanna Schwertfeger, hat ein handfestes Alkoholproblem, Gernot und Dietrich sehen Gespenster.

Anti-Kriegsstück voller Gewalt und Niedertracht

Eine Liveband unterstreicht die spukhafte Atmosphäre. Die düstere Szenerie von Bühnenbildner Palle Stehen Christensen und morbide Videoprojektionen an der Domfassade lassen keinen Zweifel zu: Das hier wird nicht gut ausgehen. „Der Diplomat“ ist ein Anti-Kriegsstück voller Gewalt und Niedertracht. Den Stoff geplant hat das Autorenduo lange bevor die Kriege unserer Gegenwart sie eingeholt haben. Lösungen bietet die Inszenierung nicht. Aber sie macht die Sinnlosigkeit des Sterbens auf den Schlachtfeldern und die Fallstricke der Diplomatie erschreckend deutlich. Es gab in der Vergangenheit schon spektakulärere Aufführungen bei den Nibelungenfestspielen. In diesem Jahr ist der gnadenlose Blick auf die Willkür der Mächtigen aber besonders zwingend.
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